Montag, 7. Februar 2011

Wenn der Tot zum Alltag wird

Ich möchte an dieser Stelle über eine persönliche Erfahrung während meines "Freiwilligen sozialen Jahres" berichten.
Ich war gerade mal zwei Wochen im Einsatz auf einer internistischen Station.
Der sogenannte "Praxisschock", hatte mich vollkommen erwischt und es ging mir tatsächlich nicht besonders gut.
Langsam kam aber schon die Routine. Man handelte einfach, dachte nicht mehr über die unmenschliche Situation beim Accord-waschen, bemitleidenswerter alter Menschen nach.
Ich gab mir immer Mühe und stresste mich extrem um Alles zu tun, damit jeder einzelne Patient glücklich war.
Meine Kolleginnen mochten mich nicht besonders, da ich wohl trotzdem zu langsam war.
Ein Patient war mir besonders ans Herz gewachsen.
Er war bettlägerig anfangs und meine Pflege schien bei ihm zu wirken.
"Ich sei ein Lichtblick",sagte er immer. Es ging ihm jeden Tag besser, er aß wieder richtig und wir starteten erste Versuche zurück in die Selbstständigkeit.

Eines Tages konnte er wieder selbstständig zum Waschbecken laufen und begann sich schonmal selbst zu waschen.
Ich kümmerte mich dementsprechend zunächst um die schwereren Fälle, um später dort zu helfen, was er selbst nicht konnte.

Hat mal einer ne Tavo?

Als ich in das Zimmer reinging sah ich ihn auf dem Bett liegend.
Er krampfte.
Sein Nachbar schaute in Ruhe Fernsehen.
Ich hätte ihn umbringen können, dass er keine Hilfe geholt hatte.
Ich drückte auf die Notschelle, versuchte mich zu beruhigen und hielt dabei seine Hand und fühlte den Puls.
Er raste.
Auf einmal hörte er auf zu krampfen.. Ich fühlte keinen Puls mehr.
Ich zog am PCR Knopf des Bettes (macht das Bett sofort hart und flach) und begann mit meiner ersten Reanimation.
Es kamen 2 Kolleginnen in den Raum und riefen einen Arzt.
Der Puls war wieder da, doch er begann wieder zu krampfen.
Ich war schon völlig fertig, als der junge Assistenzarzt gelangweilt in den Raum schlenderte und meinen Lieblingspatienten am Arm packte und rüttelte.
NATÜRLICH war er nicht ansprechbar!
So ein Vollidiot dachte ich.
Dann sagte er : "Hat mal einer Handschuhe?"
Ich rannte los und besorgte sie ihm.
"Hat mal einer ne Tavo?"
Ich rannte los und holte sie aus dem Schwesternzimmer.
Nachdem die Spritze gewirkt hatte, ließ das Krampfen etwas nach.
Der Arzt sagte  : "Intensivstation Und wie hast du ihn vorgefunden ?"
Ich schilderte die Situation, worauf alle im Raum lachten!

Ich wusste nicht was da grade passiert war und ging erstmal raus um mit meiner Mutter zu sprechen, um ihr zu sagen, dass dieser Job nichts für mich ist.
Sie ging nicht ran.
Ich schlenderte bedrückt in Schwesternzimmer und setzte mich.
Die Schwester sah mich grinsend an und meinte nur:


Der ist schon alt, nicht so schlimm wenn er stirbt.


Somewhere over the Rainbow.. (ralf zehner / pixelio.de)


















Er starb tatsächlich 2 Tage später. Ich brachte ihn in die Kühlkammer und schwor mir in diesem Augenblick niemals so zu werden, wie diese grausamen Schwestern auf dieser Station.
Diesen Tag werde ich nie vergessen und auch ihn werde ich immer in meinem Herzen bei mir tragen

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